The designer is dead – long live the design

Du läufst auf einer Straße. Du bist gut vorbereitet, das Laufen liegt dir. Du hast deine Laufschuhe an, deine gute Laufhose und fühlst dich frisch. Plötzlich wirst du überholt und weißt nicht genau wovon.

Um diese Metapher nicht unnötig lang auszudehnen: Gestaltende sehen sich in ihrem Arbeitsalltag nun täglich mit der Existenz von talentierten künstlichen Intelligenzen konfrontiert. Wenn dann nicht direkt die eigene Daseinsberechtigung hinterfragt wird, dann regt man sich doch zumindest über die KI auf oder spricht ihr gänzlich das Können ab.

Ein anderes Szenario: die Gestaltende springt auf den Rücken der künstlichen Intelligenz und lässt sich ein Stück weit tragen. KIs können genutzt werden, um Prozesse zu optimieren und effizienter zu gestalten. Mitunter kann die kreative Leistung eines Menschen sogar gänzlich durch den Einsatz von einer künstlichen Intelligenz ausgetauscht werden. Aber irgendwo sitzt der Schuh nicht richtig.

 

 

1. Emotionale Übersetzung

Was uns als Menschen ausmacht ist, dass wir uns auf unsere emotionale Intelligenz verlassen, um Situationen und Beziehungen zu deuten. Nicht in allen Fällen erfolgreich, aber es ist ein wichtiger Aspekt des menschlichen Systems. Körpersprache, Stimmlage, soziale Kontexte sowie gelernte Normen und Kulturen sind Codes, die wir lesen können, verstehen und wissen darauf zu antworten.

Die Neurowissenschaftlerin Janelle Shane führte ein Experiment durch, bei dem sie eine künstliche Intelligenz mit vielen Sätzen fütterte, um Schmeicheleien zu erzeugen. Dabei kamen tinderwürdige Pickup-Lines raus:

You are so beautiful that you make me feel better to see you.

You must be a tringle? Cause you’re the only thing here.

You are so beautiful that you know what I mean.

Wenn du das anziehend fandest, dann bist du wahrscheinlich einer künstlichen Intelligenz näher als gedacht. Für den Rest: auch wenn Schmeicheleien nicht einfach sind, das wäre wahrscheinlich selbst unter viel Stress nicht so schiefgelaufen.

 

 

2. Gefilterte Filter

Im Englischen spricht man hier von einem „Filter Bias“. Das System kann nur die Daten nutzen, die wir zur Verfügung stellen. Können wir kein moralisches oder soziales Bewusstsein mit einbauen, dann kommt es zu groben Fehlern. Jacky Alcine wurde in seiner Foto-App von Google als Gorilla getaggt. Maschinen mit Moral auszustatten ist schwierig, da diese kaum in messbare Werte übersetzt werden kann. So bleibt die KI ein Produkt ihrer Datensätze.

 

 

3. Original since

Um einer künstlichen Intelligenz anzuweisen bildliche Inhalte zu kreieren, braucht es riesige Datensätze von Unternehmen, Museen und anderen Institutionen. Nur wenige haben den Zugriff auf diese Ressourcen sowie zusätzlich die Zeit und das Geld, um so ein Projekt auf die Beine zu stellen. Mario Klingemann arbeitet mit solchen Datensätzen und stellt damit Kunst her. Ein Beispiel ist eine Porträt-Reihe, bei der das ursprüngliche Bild oben rechts mit anderen Datensätzen von Männern aus den 1920ern oder Frauen von heute übereinanderlegt. Ob das nun ansprechend ist oder nicht – es ist etwas zumindest Neues. KI kann hier denjenigen helfen, die genügend Zeit und Geld haben, Vielfalt und Varietät darzustellen.

 

 

Long live design

Warum brauchen wir noch Designer*innen?

Kommen wir noch mal zum Laufen zurück: wir sitzen jetzt auf dem Rücken der KI und laufen nicht selbst. Aber wir dürfen den Weg bestimmen. Jedes Programm muss mit Daten gefüttert werden. Designer können mitbestimmen, welche Daten genutzt werden und können Systeme mitgestalten.

Wenn man sich die Frage stellt, wo die Daten herkommen, mit der die KI gefüttert werden, dann lautet die Antwort: Richtig, von Menschen. Gestalterinnen, Künstlerinnen und Kreative sind die Grundlage für die KI. Ohne diese gäbe es die Ergebnisse der KI nicht.

Außerdem steckt Ethik im Bereich KI immer noch in den Kinderschuhen. Prinzipien müssen kreiert und durchgesetzt werden. Dazu braucht es Menschen, die kulturelle Zeichen lesen und verstehen. Microsoft und Google wenden solche Prinzipien bereits an.

Und zu guter Letzt: Wenn es darum geht, Kund*innen zu verstehen, deren Bedürfnisse und Fragen wahrzunehmen und Rat zu geben, dann sind Designer immer noch die besten Übersetzer*innen. Wir wollen verstehen, was unsere Kund*innen uns sagen und übersetzen diese Anforderungen in Form und Farbe. Hier spielt unser Können von Programmen, Herangehensweise und gestalterischer Hintergrund eine Rolle bei den Ergebnissen. Aber schließlich wählen die Kund*innen uns auch nach unserem Stil und deren Vorstellungen aus.

Dieses Meme hat mich in meiner Wahrnehmung sehr bestätigt fühlen lassen:

 

Um zum Schluss zu kommen: ich halte es für realistisch, dass künstliche Intelligenz die klassischen Aufgaben der Gestalter*innen von heute erleichtern oder irgendwann gänzlich übernehmen kann. Das Erleichtern und Abwechseln passiert heute in Teilen bereits. Aber ich dachte auch, dass wir im Jahr 2000 endlich fähig wären, mit Tieren zu kommunizieren. Also warten wir ab, was die Zukunft bringt. Und bis dahin sind wir gefragt, uns in fast allen Lebensbereichen mit KI auseinanderzusetzen, von ihr zu lernen und sie zu nutzen. 

Quellen

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